Schicksalsjahre für den BVB

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Arvika73
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Feb 2022 23 21:17

Schicksalsjahre für den BVB

Beitrag von Arvika73

Es war einmal... ein Fußballverein.

So könnte es im Rückblick heute voller Wehmut lauten. Statt dessen erscheint es doch eher wie ein Märchen, wenn auch mit vielen Höhen und Tiefen. Die große Kehrtwende von der drohenden Bedeutungslosigkeit zurück zur Spitze setzte in den 80ern ein.

Die Vorgeschichte

Von einem unbedeutenden Provinzclub mauserte sich der BVB nach dem 2. Weltkrieg zu einer Top-Adresse. 1956, 1957 und 1963 holte man den Meistertitel, 1965 den DFB-Pokal und 1966 schließlich - als erste deutsche Mannschaft - einen Europapokal (Europapokal der Pokalsieger).
In der Folge konnte der Erfolg nicht konserviert werden, da es an Geld fehlte und die Mannschaft sich nicht ausreichend verjüngte.
1972 folgte der Sturz in die Zweitklassigkeit. Selbst die Zweitligalizenz geriet ernsthaft in Gefahr, die Stadt sprang mit Bürgschaften ein und die Firma Hoesch stellte Trainingsanlagen zur Verfügung.
Nach der Errichtung des Westfalenstadions konnte der Abwärtstrend gebremst werden und 1976 gelang der Wiederaufstieg, Mit Platzierungen vorwiegend im Mittelfeld kam nicht genügend Geld in die Vereinskassen und man befand sich ständig am Rand der Insolvenz.

Der Retter

Ein kleiner Rechtsanwalt wurde zum Retter des Vereines- und das sollte sich noch zwei Mal wiederholen.
1979 - 1982 dauerte die erste Amtszeit von Dr. Reinhard Rauball (mit 32 Jahren jüngster Präsident der Bundesligageschichte) beim BVB. Es wurde spürbar ruhiger um den Verein. Doch kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Amt begannen die Probleme erneut. 1984 setzte das Amtsgericht Dortmund Rauball als Notvorstand erneut ein - und zum zweiten Mal rettete er den Verein. 1986 sah er die Arbeit als erledigt an und legte das Amt nieder.
Nach den Tricksereien der Herren Niebaum und Meier, die den Verein Anfang der 2000er erneut an den Rand eines Insolvenzverfahrens führte, übernahm Rauball schließlich wieder das Ruder - auf ausdrücklichen Wunsch der Gläubiger, die mit niemandem sonst aus dem Verein verhandeln wollten. Der Rest ist Geschichte - Rauball rettete den Verein zum dritten Mal und diesmal blieb er auch im Amt und konnte miterleben, wie seine Arbeit Früchte trug.

1986 - sportliche Rettung in letzter Sekunde

Finanziell konnte der BVB bis 1986 vor dem totalen Absturz bewahrt werden. Liest man Schlagzeilen aus der Zeil, war dies ein knappes Unterfangen. So lautete ein Vorstandsbeschluss, dass man zu Jahreshauptversammlung auf jede Art von Tischdekoration aus finanziellen Gründen verzichten müsse.

Die Leistung der Spieler erfüllte entsprechend auch nicht die Anforderungen für die höchste Spielklasse. Von 1981 bis 1986 hatte man an der Strobelallee 10 verschiedene Trainer
Am Ende der Saison 1985/86 blickte man dem Abstiegsgespenst ins Antlitz, konnte sich gerade so auf den Relegationsplatz retten.
Direkte Spiele gegen den 3. der 2. Bundesliga, Fortuna Köln. Es hieß wahrlich »Alles oder Nichts« - wer weiß, wann man aus der 2. Liga wieder aufgestiegen wäre. Viele große Namen versanken bereits nach einem Abstieg...
Das Hinspiel war ein Offenbarungseid - beim Zweitligisten verlor man mit 0:2 uns ging mit einer schweren Hypothek ins Rückspiel. Vor ausverkauftem Haus (54.000) kassierte man in der ersten Halbzeit auch noch ein Gegentor, die Zweite Liga war nur noch eine Pfostenbreite entfernt... Nach einer einigermaßen ordentlichen und engagierten 2. Halbzeit stand es kurz vor Ende der Spielzeit 2:1 für Dortmund, ein drittes Tor musste dringend her. Irgendwie gelangte der Ball in der 90. Minute von Jürgen Wegmanns Fuß ins Tor - der Abstieg war zumindest verschoben. Dieser Moment war ein Schlüsselmoment für die Verbindung zwischen Verein und Fans. Beide Seiten wuchsen stärker zusammen, als sich das manch ein Verein vorstellen kann.

Das durch den Treffer erzwungene Entscheidungsspiel in Düsseldorf endete schließlich 8:0 für Dortmund und die Angelegenheit sah plötzlich so viel klarer aus als sie war,,,

1989 - Aus der Asche zum ersten Titel seit 23 Jahren

Erfolgsverwöhnt war die Borussia in den folgenden Jahren natürlich noch nicht. Aber unter den Trainern Saftig und Köppel waren zumindest die Weltuntergangsszenarien beiseite gefegt, In Dortmund wusste man inzwischen wieder, wie man UEFA-Cub schreibt und merkte, dass es auch außerhalb Deutschlands Fußballvereine gab.
Stadt und Verein stellten das Fanprojekt auf die Beine, um aktiv Sozialarbeit zu leisten und die Unterwanderung der Fanbasis durch die Rechtsradikale Borussenfront zu unterbinden. Als es im europäischen Wettbewerb gegen Celtic Glasgow ging, befürchtete man in der Stadt Ausschreitungen der schottischen Fans. Man beschloss den Versuch, die Anhänger beider Seiten mit einem Unterhaltungsprogramm abzulenken. Der Fantreff war geboren und bei diesem Duell wie auch bei zahlreichen späteren Spielen (z.B. gegen Juventus Turin, Lazio Rom, AC Mailand etc.) kam es statt zu Krawallen zu Verbrüderungen zwischen den beiden Fangruppen.

Dann kam der 24. Juni 1989. Relativ überraschend erreichte der BVB das Pokalfinale in Berlin. Gegner war Werder Bremen - mit Spielern wie Riedle, Ordennewitz, Reck, Votava etc. haushoher Favorit.

Riedle besorgte die Führung für Werder und man konnte aus Dortmunder Sicht eigentlich nur hoffen, sich nicht all zu blamabel aus der Saison zu verabschieden.

Doch in der 21. Minute traf der Mann, der durch seinen Einsatz »der Held von Berlin« werden sollte - Norbert Dickel.
Er spielte auf eigenen Wunsch. Eigentlich hätte er nach seiner schweren Knieverletzung noch nicht wieder spielen sollen, kämpfte jedoch verbissen auf diesen Tag hin. Mit 4:1 wurde der Pokal gewonnen. Dickel traf noch einmal und verhinderte durch seine Leistung wohl die vollständige Genesung seines Knies. Wenige Monate später wurde er Sportinvalide - und unsterblich.

Der erste Titel nach 23 Jahren löste eine ungeheure Euphorie in der Stadt aus. Unter Präsident Niebaum (seit 1986) nahm der Verein den Weg auf die Überholspur. Man holte immer teurere Spieler, mit Ottmar Hitzfeld einen fähigen Trainer und investierte kräftig in den Ausbau des Stadions und anderer Vereinsanlagen.
Nach der Vizemeisterschaft 1992 konnte 1995 der Titel nach 32 Jahren wieder geholt werden. 1996 gelang das Kunststück erneut und man krönte diese Phase mit dem Gewinn der Champions League gegen juventus Turin 1997 und dem Weltpokal im Winter darauf.

Dass man im Hintergrund zuweilen zu hoch pokerte, bemerkten die meisten erst, als man nicht kontinuierlich an Europas Spitze spielen konnte und mit den Verbindlichkeiten /(v.a. aus der letzten Ausbaustufe des Stadions) nicht mehr fertig wurde, Aber man hatte da je noch diesen kleinen Rechtsanwalt, der den Verein zum dritten Male vor der Insolvenz bewahrte...


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Feb 2022 23 23:15

Re: Schicksalsjahre für den BVB

Beitrag von Semi Silesian

Beim Entscheidungsspiel 1986 gegen Fortuna Köln hatte der BVB das Glück,daß bei den Kölnern 10 Spieler durch Sperren und Verletzungen nicht einsatzbereit waren.
Einem Wunsch nach Spielverlegung seitens der Kölner wurde vom DFB negativ beschieden.

So mußte Fortuna Köln auch angeschlagene Spieler aufbieten,die in dieser Verfassung keine Chance gegen den BVB hatten.

Beim Pokalendspiel 1989 gegen Werder Bremen war neben Norbert Dickel auch Günter Breitzke einer der Hauptakteure.
Der hat in späteren Jahren sein Geld ähnlich wie George Best verpraßt und lebt heute in sehr bescheidenen Verhältnissen.

Weitere Kult-Spieler der 80er Jahre beim BVB waren Murdo MacLeod und Marcel Raducanu.

Erster ein richtiger "Fußball-Malocher",der andere ein "Ballkünstler"

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Arvika73
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Re: Schicksalsjahre für den BVB

Beitrag von Arvika73

Semi Silesian hat geschrieben: Mi 23. Feb 2022, 23:15 Beim Entscheidungsspiel 1986 gegen Fortuna Köln hatte der BVB das Glück,daß bei den Kölnern 10 Spieler durch Sperren und Verletzungen nicht einsatzbereit waren.
Einem Wunsch nach Spielverlegung seitens der Kölner wurde vom DFB negativ beschieden.
Das Entscheidungsspiel wurde bereits am Abend vor der Austragung kurzfristig um eine Woche verschoben, da Köln zu wenig Spieler hatte. Der DFB war jedoch nicht bereit bzw. in der Lage, eine zweite Verschiebung zu veranlassen.

Das »neutrale« Stadion hängt in seiner Verfügbarkeit von einem dritten Verein bzw. Stadt ab, die Vorbereitungen für die neue Saison in beiden Ligen sind eigentlich bereits in vollem Gange. Dazu kommt der »Ausflug« der Nationalmannschaft zur WM nach Mexiko. Und zu guter Letzt muss die Übertragung im TV technisch vorbereitet werden. Eine Verlegung von Spielen war schon damals nicht unbedingt leicht, Vom angesetzten Urlaub der Spieler wollen wir gar nicht erst reden...
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