Modellbahn-Revolutionen der 80er: Epochen

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Thomas Ray Dolby
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Jan 2023 30 22:41

Modellbahn-Revolutionen der 80er: Epochen

Beitrag von Thomas Ray Dolby

Eine der umstrittensten Neuerungen in der Modellbahn, die in den 80ern aufkamen, war nicht technischer Natur: die Epochen.

Je weiter die Zeit voranschritt, je länger es Modellbahnen gab, desto mehr Vorbilder gab es – und in desto mehr Ausführungen gab es die Vorbilder. Bei der Bundesbahn waren etwa 1968 die Computernummern bei Triebfahrzeugen eingeführt worden, bei den meisten Wagen ein paar Jahre früher, 1971 das kurzlebige Pop-Farbschema für Reisezugwagen und Triebwagen, 1974 Ozeanblau/Elfenbein.

Natürlich versuchten die Modellbahnhersteller damals, das zu produzieren, was gerade aktuell auf Bundesbahnschienen fuhr. Das war das, was die Leute „in echt“ sahen, und davon ließ sich so manch ein Modellbahner inspirieren. Das kollidierte aber mit der immer noch allgegenwärtigen Dampfloknostalgie. Seit 1977 liefen keine Dampfloks mehr bei der Bundesbahn. Etliche Baureihen waren 1972 schon verschwunden. Andere Fahrzeugtypen waren schon weg vom Fenster, bevor es Computernummern gab, etwa die bayerische S 3/6, die preußische T 12 oder die „Donnerbüchsen“. Die meisten Reisezugwagen mit hölzernen Aufbauten waren schon 1961 ausgemustert; allenfalls ein paar Pack- oder Postwagen waren noch etwas länger im Einsatz. Von all diesen Fahrzeugen gab es aber immer noch Modelle.

Entsprechend sah es auf Modellbahnanlagen aus: Vielfach fuhr alles Mögliche durcheinander, was beim Vorbild nie zur selben Zeit existierte. Das lag zunächst einmal daran, daß viele Modellbahner ihr gesamtes Vorbildwissen aus Modellbahnkatalogen hatten. Sie wußten einfach nicht, was von wann bis wann existierte bzw. aktuell war. Die Hersteller schrieben auch nichts darüber in ihren Katalogen, denn deren Interesse war ja, daß die Leute möglichst alles querbeet kauften.

Aber auch die Fachpresse half da wenig nach, zumal sie von einem gewissen Grundwissen ausging. Um das aber zu erwerben, brauchte man die berühmten Obermayer-Taschenbücher, die in der Einleitung auch Bezeichnungsschemata erklärten. Aber welcher Modellbahner deckte sich damit ein, wenn er zunächst einmal gegenüber den Katalogen seiner favorisierten Hersteller keinen unmittelbaren Mehrwert sah? Was interessierten etwa den Märklinisten Angaben zu Loks, die Märklin überhaupt nicht als Modell herstellte?

Um nun zu unterbinden, daß Modellbahner rein aus Unkenntnis vom Vorbild alles von der Gründung der Bundesbahn bis ins Zeitalter zweiklassiger InterCitys bunt durcheinander fuhren, teilweise sogar im selben Zug, mußte etwas her, was ihnen sagte, was zu welcher Zeit (ko)existierte. Etwas, das leicht verständlich war.

Und so kam man auf die Einteilung der Eisenbahngeschichte in Epochen, wie sie schon 1968 von der Fachzeitschrift MIBA vorgeschlagen wurden, als die Bundesbahn die Computernummern gerade eingeführt hatte. Dieses Epochensystem wurde vom MOROP letztlich sogar NEM-genormt (NEM 800), aber man sieht deutlich, daß es auf bundesdeutschem Mist gewachsen ist:
  • Epoche Ⅰ: Länderbahnen bis 1920
  • Epoche Ⅱ: Reichsbahnzeit 1920 bis 1949
  • Epoche Ⅲ: Bundesbahnzeit vor Computernummern 1949 bis 1967
  • Epoche Ⅳ: Bundesbahnzeit mit Computernummern ab 1968
Die Epochen wurden noch unterteilt in Perioden, z. B. Epoche Ⅳa und Ⅳb; letztere begann 1974 mit der Einführung von Ozeanblau/Elfenbein.

Als Modellbahner und Eisenbahnlaie kann man sich so ganz einfach eine Epoche bzw. Periode auswählen und nur Modelle verwenden, die in diese Zeit gehören. Damit ist man eher auf der sicheren Seite, als wenn man ahnungsloserweise alles querbeet kauft.

Bis heute ist das System aber umstritten. Auf andere Länder lassen sich die Daten so nicht anwenden; streng genommen endete beispielsweise in Frankreich die Epoche Ⅰ erst 1938 mit der Gründung der SNCF, als Deutschland schon in der Epoche Ⅱc war.

Hinzu kommt, daß sich die Epochen und Perioden selbst in der Bundesrepublik nicht scharf abgrenzen ließen. Als Übergang von der Epoche Ⅲa zur Epoche Ⅲb gilt ja allgemein die Umstellung von drei auf zwei Wagenklassen 1956. Es gibt aber noch mehr Unterscheidungsmerkmale, etwa das dritte Spitzenlicht (auch 1956), den Bundesbahn-Keks (1957) oder den 1.-Klasse-Streifen (1958).

Selbst die Epoche Ⅲb war uneinheitlich, so daß inoffiziell auch von einer Epoche Ⅲc gesprochen wird, die sich ähnlich unscharf abgrenzt: Wechsel von Flaschengrün auf Chromoxidgrün (bei den neuen Einheitselloks von vornherein, also ab 1957, bei anderen Loks durch Umlackierung erst später, bei Reisezugwagen ab 1959), Wechsel von Stahlblau auf Kobaltblau bei 1.-Klasse-Schnellzugwagen (1959), Vereinfachung der Reisezugwagen-Gattungszeichen und Anpassung an internationale Standards (1960).

Sogar der Übergang von der Epoche Ⅲ auf die Epoche Ⅳ verlief unscharf. Güterwagen bekamen ab 1965 UIC-konforme Betriebsnummern und Gattungsbezeichnungen. Neubaureisezugwagen hatten UIC-Computernummern auch schon ab 1965, vorhandene Wagen wurden erst ab 1966 umbeschriftet. Triebfahrzeuge bekamen ihre Computernummern erst ab Stichtag 1.1.1968. Bei der Reichsbahn in der DDR passierte alles noch später; Computernummern für Triebfahrzeuge kamen etwa erst zum 1.6.1970. Von Leuten, die mit Fahrzeugbeschriftungen absolut nichts anfangen konnten, breitete sich gar das Halbwissen aus, die Epoche Ⅳ habe 1974 begonnen und stünde für die Einführung von Ozeanblau/Elfenbein, und Grün, Blau und Rot stünden für die Epoche Ⅲ, egal, was auf den Fahrzeugen geschrieben steht.

Einer der Hauptkritikpunkte war aber, daß sich eine und dieselbe Fahrzeugvariante durchaus durch mehrere Epochen bewegen und eine ganze Weile halten konnte. Die Loks, Triebwagen und Wagen änderten ja nicht schlagartig zum Epochenwechsel ihr Aussehen. Manche Dinge gingen natürlich schnell. Das dritte Spitzenlicht war Pflicht und wurde innerhalb sehr kurzer Zeit beim gesamten Triebfahrzeug- und Steuerwagenpark der Bundesbahn nachgerüstet. Manchmal waren Umbauten nötig, aber es gab noch eine Frist bis 1958. Länderbahndampfloks hatte meistens eh noch Laternenhalter für ein drittes Spitzenlicht, wo einfach nur eine weitere Laterne montiert werden mußte. Klassenziffern wurden 1956 noch schneller angepaßt. Und Loks, Triebwagen und international eingesetzte Reisezug- und Güterwagen bekamen ihre neuen Beschriftungen in den 60ern auch binnen ein, zwei Jahren. Selbst das war eben eine Übergangszeit.

Aber beispielsweise so manch eine frühe Zweitserien-218, die 1973, also kurz vor Ende der Epoche Ⅳa, neu nach Flensburg kam, trug 20 Jahre später in der Epoche Ⅴa immer noch ihr ursprüngliches purpurrotes Farbkleid, das im AW Bremen zwischenzeitlich auch mal erneuert worden war. Selbst bei der Deutschen Bahn AG liefen noch 110er im ursprünglichen Stahlblau der Epoche Ⅲ, das vom AW Krefeld-Oppum immer noch beharrlich aufgetragen wurde, wenn nicht gerade in ein neues Farbschema umlackiert wurde (München-Freimann war 1968 auf Kobaltblau a.k.a. „Freimann-Blau“ umgestiegen); das einzige Anzeichen für die Epoche Ⅴb war der „Dürr-Keks“, also das Logo der DBAG.

Trotz aller Kritik hielten in den 80er Jahren die Epochen bei den Modellbahnherstellern Einzug. Der Hauptgrund dafür dürfte aber weniger gewesen sein, den Kunden die Zusammenstellung vorbildgerechten Rollmaterials zu erleichtern. Nein, es dürfte mehr eine Marketing-Maßnahme gewesen sein.

Nach offizieller Einführung der Epochen ging nämlich die Glorifizierung der Epoche Ⅲb los, die ja endlich einen greifbaren Namen hatte. Das war die letzte große Epoche der Länderbahnloks und allgemein der Dampfloks, außerdem trugen Loks und Triebwagen noch nicht die „doofen“ Computernummern. Dafür gab es aber schon viele neue Fahrzeuge wie Einheitselloks, Serien-V 200, V 100, VT 11⁵, Neubauschnellzugwagen, vierachsige Umbauwagen oder „Silberlinge“.

Außerdem war genau das die Zeit, in der ein Großteil der Modellbahner überhaupt erst das Interesse an der Eisenbahn entwickelte, also von der Eisenbahn geprägt wurde. Und Modellbahner neigen dazu, genau diese Zeit auf ihren Anlagen wieder aufleben zu lassen.

Wenn nun ein Modellbahnhersteller anfing, Epochen in den Katalogen abzudrucken, ging damit eine vermehrte Ausrichtung des Sortiments auf die Epoche Ⅲb einher. Gerade Roco, das Lieblingskind der Fachpresse, war schnell zur Stelle. Kaum, daß Epochen in den Katalogen erwähnt wurden, gab es Neukonstruktionen der Baureihen 141 und 211 sowie erstmals maßstäblich lange Mitteleinstiegswagen. Diese Fahrzeuge gab es noch im Betriebsbestand (wenngleich die Mitteleinstiegswagen rapide verschwanden, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Asbestbelastung).

Aber die 141 wurde nicht etwa wie die Fleischmann-Modelle in aktuellen Ausführungen gebaut. Statt dessen brachte man die allererste Lok der Baureihe, E 41 004, im Auslieferungszustand von Ende 1956 in Stahlblau mit Maschinenraumfenstern, Schweiger-Lüftergittern und Regenrinne unterm silbernen Dach. Kurze Zeit später gesellte sich dazu die E 41 072, die erste E 41 in Chromoxidgrün und ohne Maschinenraumfenster, wiederum in ebendiesem Auslieferungszustand. Auch die 211 kam nicht als 211, die es bis dahin so noch nie als Modell gegeben hatte, sondern als V 100¹⁰ in Ursprungsausführung. Die Mitteleinstiegswagen, von denen in alter Röwa-Tradition nur drei Bauarten umgesetzt wurden, wurden indes nicht in der ursprünglichen Epoche-Ⅲa-Ausführung in Flaschengrün mit 2. und 3. Wagenklasse gebaut, sondern im Zustand ab ca. 1958 mit 1. und 2. Wagenklasse inklusive 1.-Klasse-Streifen, aber immer noch flaschengrün.

Generell war die direkte Konsequenz aus der Einführung der Epochen ein bis heute anhaltender „Bundesbahn-Epoche-Ⅲb“-Boom. Von neu entwickelten Modellen von Fahrzeugen, die auch bei der Bundesbahn in der Epoche Ⅲb liefen, wird seit spätestens 1988 unverändert erwartet, daß die Bundesbahn-Epoche-Ⅲb-Version als erste kommt und möglichst nie aus dem Sortiment genommen wird, solange das Modell nicht hoffnungslos veraltet ist. Höchstens Neuauflagen mit neuer Betriebsnummer kämen in Frage, wie Roco sie jahrelang immer wieder gemacht hat, um dieselbe Lok mehrfach an dieselben Kunden verkaufen zu können.

Kurioserweise spielt die Epoche Ⅲ bei der Modellbahn nach Reichsbahn-Vorbildern keine große Rolle. Das liegt allerdings auch daran, daß der Fuhrpark der Reichsbahn in der Zeit vor Einführung von Computernummern zu noch größeren Teilen noch eine Resterampe war, vor 1963 erst recht, und viele moderne Fahrzeuge erst in der Epoche Ⅳ in signifikanten Stückzahlen vorhanden waren. Das, und die „Ostalgie“ glorifiziert ohnehin primär die DDR der 70er Jahre.



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Re: Modellbahn-Revolutionen der 80er: Epochen

Beitrag von Django77

Entsprechend sah es auf Modellbahnanlagen aus: Vielfach fuhr alles Mögliche durcheinander, was beim Vorbild nie zur selben Zeit existierte.
Na und ;) ? Grundsätzlich ist das mit der Einteilung in Epochen ja nicht falsch. Nur leider führte (auch) das ab den 1980ern zu einer immer stärker werdenden "Professionalisierung" des Modelleisenbahnbaus. Was bis dahin vor allem Spass und durchaus auch Spiel für Gross und Klein, für die breite Masse war, entwickelte sich je länger je mehr zu einem (immer teurer werdenden) Exklusiv-Hobby für Nietenzähler, bei dem plötzlich nur noch eine richtige oder falsche letzte Ziffer einer Computernummer darüber entschied, ob ein Modell gekauft werden sollte oder nicht :ironie:

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Re: Modellbahn-Revolutionen der 80er: Epochen

Beitrag von Sammy-Jooo

Django77 hat geschrieben: Di 31. Jan 2023, 07:37
Entsprechend sah es auf Modellbahnanlagen aus: Vielfach fuhr alles Mögliche durcheinander, was beim Vorbild nie zur selben Zeit existierte.
Na und ;) ? Grundsätzlich ist das mit der Einteilung in Epochen ja nicht falsch. Nur leider führte (auch) das ab den 1980ern zu einer immer stärker werdenden "Professionalisierung" des Modelleisenbahnbaus. Was bis dahin vor allem Spass und durchaus auch Spiel für Gross und Klein, für die breite Masse war, entwickelte sich je länger je mehr zu einem (immer teurer werdenden) Exklusiv-Hobby für Nietenzähler, bei dem plötzlich nur noch eine richtige oder falsche letzte Ziffer einer Computernummer darüber entschied, ob ein Modell gekauft werden sollte oder nicht :ironie:
Meiner Meinung nach ist durch die Einführung der Epochen und der Zitat: "immer stärker werdenden "Professionalisierung" des Modelleisenbahnbaus" auch eine Begründung zu sehen das das Hobby "SPIELZEUGEISENBAHN" zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde und heute so gut wie gar nicht mehr in Erscheinung tritt. Einem Kind ist es doch schurzpiepegal ob es eine "Thomas, die Lokomotive" auf den Gleisen gab oder nicht, die Hauptsache ist doch das Spielen. Das ist anscheinend auch schon beim Hersteller "Märklin" angekommen, denn seit ein paar Jahren bietet er unter der Produktlinie "MyWorld" für Kinder ab 3 Jahren Spielzeugbahnen und Zubehör aus Kunststoff an. Und das auch noch zu relativ günstigen Preisen, jedenfalls im Vergleich zu Modellbahn. Die Züge sehen in etwa so aus wie sich Kinder es vorstellen und sind eben zum "SPIELEN MIT" und nicht zum "NACHBILDEN DER" Eisenbahn gemacht.
:-: :-: :teufelgrins: :teufelgrins:

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Re: Modellbahn-Revolutionen der 80er: Epochen

Beitrag von Django77

Meiner Meinung nach ist durch die Einführung der Epochen und der Zitat: "immer stärker werdenden "Professionalisierung" des Modelleisenbahnbaus" auch eine Begründung zu sehen das das Hobby "SPIELZEUGEISENBAHN" zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde und heute so gut wie gar nicht mehr in Erscheinung tritt.
Genau so ist es... leider :(

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